Laut Wir Machen Das
2015, als zehn Minuten von meiner Wohnung entfernt Tausende Menschen, die aus dem Krieg übers Mittelmeer geflohen waren, vor dem LAGeSo auf dem Boden lagen, weil die Politik beschlossen hatte, dass das so sein müsse, habe ich beschlossen, ein Jahr lang nicht an meinem neuen Roman zu schreiben, sondern mich diesen Menschen zu widmen. Also habe ich zusammen mit 100 Frauen aus einem Netzwerk, das die Malerin Katharina Grosse und ich schon Jahre vorher gegründet hatten WIR MACHEN DAS initiiert. Zum Glück wusste ich nicht, wieviel Arbeit das sein würde. Aus dem einen Jahr waren jedenfalls fünf geworden, bevor ich wieder Zeit und Raum fürs Schreiben fand. Bereuen tue ich es nicht, überhaupt nicht.
Seither leite ich zusammen mit einem Team WIR MACHEN DAS und es nimmt einen großen Teil meines Lebens und Denkens ein.
Die radikale Abzweigung, die mein Leben genommen hat, hat mir lange Angst gemacht. Anfangs musste ich manchmal an diese Szene bei Matrix denken, in der Neo über seinen Anschluss im Nacken Trainingspläne geladen bekommt, von denen er noch nicht genau weiß, wofür er sie braucht. Ich hatte das Gefühl, das Leben lädt mir Know-how, um das ich nicht gebeten hatte, aber inzwischen bin ich längst nur noch dankbar dafür. Ich erfahre erstmalig existenziell und nicht nur theoretisch, wie extrem politische Entscheidungen in das Leben eingreifen können, wie abhängig Menschen von Gesetzen und Entscheidungen sind, die in Ministerien, Stiftungen und Ämtern getroffen werden. Ich wusste das auch vorher, aber ich bin so privilegiert, dass es mir bisher nur nahegegangen, aber nicht nahegekommen ist. Jetzt höre ich ganz anders zu und versuche dabei, die blinden Flecken meiner Privilegiertheit immer weiter in den Blick zu bekommen, um genau zu verstehen, wie Solidarität gestaltet sein muss, um nicht Teil des Problems zu werden. Bei alldem vertraue ich darauf, dass ich das alles lernen soll, weil das Leben das so entschieden hat. Die Welt ist für mich deswegen auszuhalten, weil ich etwas tun kann. Mein Teil, den ich für eine solidarische Welt leisten kann, ist klein, aber er bewirkt etwas.
Wenn ich gefragt werde, wie ich so optimistisch bleiben kann, dann ist meine Antwort immer: Optimismus ist die einzige Entscheidung in meinem Leben, die ich nicht in Zweifel ziehe. Ich brauche meinen Optimismus als Basis, von der ich ausgehe. Sie wackelt kein bisschen. Deswegen jetzt und in Zukunft: WIR MACHEN DAS!