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Über mich
In der Folge 15 des Videoblogs „Herbert liest!“ zeigt Ihnen Herbert Grieshop mein Bücherregal, das untere und das obere.
Wir sprechen über das Schüchternsein, Taiye Selasi, nicht über Elfriede Jelinek, aber umso mehr über unseren (nicht harmonisierbaren) Literaturgeschmack und unsere sich gegenseitig ausschließende Vorliebe für Heimweh- bzw. Fernweh-Philosophen. (Herbert hat Heimweh, ich: Fernweh – intellektuell, aber auch nicht-intellektuell, also zum Meer, zum Meer!)
Dann sprechen wir noch über meinen Giftschrank, gescheiterte Projekte, Hedonismus, abstruse Metaphysik und Mittagsschlaf.
Leise und Laut
Mein Leben findet schon immer in zwei unterschiedlichen Modi statt: leise und laut, kontemplativ und aktiv, introvertiert und extrovertiert. Bis vor ein paar Jahren überwog beruflich die leise Seite und ich bin deswegen abends viel ausgegangen, um die Stille aufzuwirbeln. Als ich 2015 mit 100 Frauen WIR MACHEN DAS und WEITER SCHREIBEN gegründet habe, war beides erst einmal vorbei: Die Stille des Schreibens und der Wirbel der Nächte und es verging kein Tag, an dem ich nicht für ein paar Stunden den Wunsch gehabt hätte, dass mich niemand je wieder findet.
Doch inzwischen ist WIR MACHEN DAS eine stabile NGO mit einem wunderbaren Team und WEITER SCHREIBEN ein vor Kraft strotzendes Projekt. Ich habe wieder angefangen zu schreiben und seitdem ist mein Leben wieder so, wie ich leben möchte: leise und laut.
Ein Teil meines Lebens ist so leise wie möglich. Ich brauche die Stille und die Abgeschiedenheit, um schreiben zu können. Der Wunsch nach Alleinsein geht dann so weit, dass ich in meinem Arbeitszimmer alle Vorhänge schließe, oft ist selbst der Himmel zu viel Welt. Ich habe meinen Kindern einen Hamster verboten, weil es dann etwas in der Wohnung geben würde, dass mich ruft und verhindert, dass ich so versinken kann wie ich es muss, um in ein Thema literarisch hinein zu loten. In diesem leisen versunkenen Modus entstehen Romane, Erzählungen, Kinderbücher, Briefwechsel und Essays. Sehr leise, aber eher konzentriert als versunken arbeite ich an Herausgaben, Katalogbeiträgen und den Texten, die ich zusammen mit der Malerin Katharina Grosse schreibe.
Ich wollte schon als Kind ein Buch schreiben. Nie eine Geschichte, immer ein Buch. Und es war mir vollkommen klar, dass das Schreiben eines Buchs etwas anderes ist als das Schreiben eines Aufsatzes, obwohl ich beim Schreiben eines Aufsatzes aus der Perspektive einer 2 DM-Münze erstmals dachte: So könnte es werden, mein Buch.
Mit meinem ersten Buch habe ich so viele Male angefangen, dass meine Schublade platzte. Es ging immer um einen Baum, einen runden Platz und einen Brunnen. Keine Ahnung, warum. Mit neunzehn schickte ich schließlich einen dieser Baum-Platz-Brunnen-Texte mit schrecklichem Titel und selbstgemaltem Briefpapier an alle großen Verlage.
Der erste Absagebrief kam prompt – von Hanser. Der letzte Satz lautete: „Wenn Sie möchten, rufen Sie mich doch mal an und erzählen Sie mir, wie Sie zu diesem Roman gekommen sind, es würde mich tatsächlich interessieren.“ Ich schrieb sogleich zurück, was ihnen einfalle, so zu richten.Die Suhrkamp-Absage folgte auf dem Fuß: Das Manuskript sei absolut nicht zu veröffentlichen, aber man ahne, dass ich schreiben könne. Damals empfand ich auch das als Beleidigung.
Ich begann zu studieren und verstand fast nichts: In Philosophie noch weniger als in Ethnologie. Doch irgendwann verstand ich das eine Fach über das andere, und ich konnte Teile meines eigenen Denkens und der Denkmuster der Gesellschaft, in der ich lebte, ethnologisch betrachten – und war damit im philosophischen Denken gelandet.
Genau dieser leicht versetzten Welt bin ich seither auf der Spur.
Schreiben ist für mich ein Aufbruch ins Ungewisse. Um Aufzubrechen brauche ich eine Frage, die mich so umtreibt, dass ich sie nur schreibend erkunden kann. Dann legt der Dampfer ab – ohne Ziel.
Die Frage entsteht aus dem Bekannten, das mir plötzlich fremd wird. Es sind also die alltäglichen Themen, die mir fragwürdig erscheinen: Wie wir heute lieben, wovor wir Angst haben, was wir uns wünschen, wo unsere blinden Flecken sich befinden, wie wir uns und über das/die Andere(n) konstruieren…
Nie mache ich ein Konzept, bevor ich mit einem neuen Text beginne, jeden Tag entscheide ich mich aufs Neue für den Blindflug. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Denken nur dann im Erzählen aufgehen kann, wenn ich es seine eigene Geschichte finden lasse. Alles, was ich konstruiert habe, klingt auch konstruiert. Es ist so, wie Paul Valéry geschrieben hat: „Du bist die Stimme des dir selbst Unbekannten.“