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Von Hasenohren, Cayennegesichtern und dem Weiß in der Literatur

edmund de waal
Was Edmund de Waal mit der Fratze eines Porsche Cayennes und mir zu tun hat? Wir waren gerade zusammen in Dresden.

Mit Hanser, vielen tollen und trinkfesten Buchhändlern und einer höchst beeindruckenden Ludmila Ulitzkaya. Edmund de Waal sollte über das Weiß seines Porzellans und ich über das Weiß und seine Funktion in meinem Roman „Durch den Wind“ sprechen. De Waal hat dann auch gesprochen, und zwar in einer selten erlebten Mischung aus höchster Fragilität und Souveränität, die sich (wie ich finde) in seinen Ohren widerspiegelt, aber nicht über Weiß. Auch beim Abendessen nichts über Weiß. Weiß und Schweigen – das ist ja sowieso eine Geschichte für sich.

Niklas Maak hat uns am nächsten Tag die Zukunft des Wohnens vorausgesagt und eine Zombifizierung der Architektur diagnostiziert, die sich in Christian Wulffs KopfundKragen-Haus kristallisiere. (Schauen Sie sich dieses Haus nochmal an: Dafür hat er wirklich alles riskiert!)
Was mir dabei besonders eingeleuchtet hat, war Maaks Deutung der Fertighausmanie über eine Analyse der angsteinflößenden Fratzen von Porsche Cayenne und Co.: Die moderne Wohnkultur (und dazu gehören diese Art Schlitten mit ihren Plüschsitzen und Holzverkleidungen natürlich auch) denke vom Tode aus. Sie sei vollkommen auf Sicherheit und Abschreckung ausgerichtet und habe mit Lebenslust und Abenteuer, ja Lebendigkeit, nichts mehr am Hut. Für Berliner braucht es da nur ein Wort: Alexa.

Nachdem ich die ganze experimentelle Architektur aus Japan gesehen habe, möchte ich da jetzt doch mal wieder hin, sexistische Männer mit einzelnen langen, störrischen Barthaaren hin oder her…

Und noch was passierte in Dresden: Mir wurde bei meinem Vortrag klar, wie genau das Weiß in seinem Spektrum aus Entgrenzungszauber (endlose Schneelandschaften) und Erstarrungsmittel (Lawine) zu dem Thema in „Durch den Wind“ passt, und auch (und das war mir ganz neu): wie sehr weiße Texte immer auch aufs Schreiben selbst reflektieren. Und: wie sehr sich darin die zentralen Metaphern meiner letzten beiden Romane –  Weiß und Meer – ähneln.

Wieder war es Kamper, der mein Denken befeuerte: „Den eigenen Texten nach, insofern sie Ausdruck von etwas Unbegriffenem sind.“

—23.11.2012

34 Meter-Titel auf der shortlist von lovelybooks

header2012

„34 Meter über dem Meer“ ist auf der shortlist des lovelybooks Leserpreises für den besten Buchtitel.

Das freut mich natürlich sehr!

Und die Titel, mit denen er konkurriert, sind auch vom Feinsten: „Spätzle Blues“ und „Flaschendrehen furioso“…

Hier können Sie noch abstimmen, allerdings nur noch bis morgen. 24

—05.11.2012

Ihre meine unsre ihre seine

gudrun cover

Das ist das Cover von Gudrun Guts neuem großartigen Album „Wildlife“, das gerade herausgekommen ist, und für das ich zusammen mit ihr meinen ersten Songtext geschrieben habe: „Erinnerung“.

Gudrun fragte mich letztes Jahr, ob mir ein Text zum Thema Erinnerung einfiele, und ich schrieb einen ersten Versuch – über Madeleines, Vertigo und das Vergessen.

Daraufhin sagte sie: „So, und jetzt das Ganze noch abstrakter, romantischer und gereimt.“

Tja.

Und da saß ich nun und sollte reimen. Doch jedes Wort, das mir in den Kopf fiel, wurde sofort als Opportunist verdächtigt. Du, Wort, kommst mir doch jetzt nur in den Sinn, weil Du Dich reimen kannst und nicht etwa, weil Du was Substantielles über Erinnerung auszusagen hast! Also, wenn ich etwas nicht kann, dann ist es reimen. Ich fragte Michael Krüger, meinen Verleger, und er empfahl mir, ein Reimlexikon zu kaufen und unsauber zu reimen, aber besser wurde es dadurch nicht.

Am Ende haben Gudrun und ich Pingpong gespielt und uns einzelne Zeilen hin- und hergeschrieben, und so ist tatsächlich ein abstrakter, romantischer, gereimter Text entstanden. Mein erster Songtext!

—05.10.2012

Mit Lewitscharoffs Geistesbraus nach Marne und zurück

Lesung Annika Reich

Die Lesung in Marne war wieder eine dieser blackbox-Lesungen: In der tiefsten Provinz, nur mit ICE, zweimaliger Nordostseebahn und Bus (mit Namen: Rudis Taxi) zu erreichen. Keine Ahnung, ob und wer da kommt, keine Ahnung, wie die Veranstalter sind, die Buchhändler, keine Ahnung.

Da tut es gut, für bombensichere Lektüre auf dem Hin-und Rückweg zu sorgen. Diesmal Lewitscharoffs Poetikvorlesungen: Vom Guten, Wahren und Schönen. Das reinste Vergnügen! Über Bücher, die ich noch nicht kannte und sofort lesen will, über den tollen Frosch von Murakami und mißratene Tatortbeleuchtung, über das gegenwärtig ausgetrocknete Reservoir des Schimpfens und den Stil, der im Ethischen wurzelt.

Und dann war die Lesung auch noch wunderbar: in einem architekturpreisgekrönten Haus mit super witzig-geistreichen Veranstaltern und einem hochdiskutierfreudigen Publikum. Nur am Watt war ich leider nicht, aber dafür in einem Restaurant (in DEM Restaurant in Marne), das um acht Uhr seine Küche schließt. Marne: jederzeit wieder, vielleicht dann mit dem neuen Roman von Sibylle Lewitscharoff.

—10.09.2012

Katharina Grosse in der Sammlung Hoffmann

hoffmann

Weil es einfach unglaublich ist, wie Katharina Grosse diesen unfassbaren Raum von Erika Hoffmann in der Sammlung Hoffmann sprengt (auf der Wand links hinter KG geht’s nochmal mindblowing weiter…), und weil sich gerade die Weiterarbeit an meinem ersten Kapitel sträubt, poste ich jetzt noch dieses Photo von Lisa Zeitz (die mit der Discokugel und dem Möbelporn, siehe ein paar Einträge weiter unten) hinterher.

Die Einladung zur Eröffnung hieß übrigens: Zu drinks and nippets, und keiner wusste genau, ob die nippets die pinken Bommel an Katharinas Hemd, die Cashews auf dem Buffet oder die Scoobidoos waren, die in einer Ecke von einer Truppe toller Kinder angeboten wurden. Doch jeder ahnte: nichts von alledem, denn dafür haben nippets zu viel Sprengkraft. Grosser Abend!