ARCHIV

PROSANOVA und Fragen wie Fichte

Letztes Wochenende war PROSANOVA. Mein erstes Mal. Man bekommt dort eine Autorentasche mit weissen Mäusen und Schaumerdbeeren. Und eine großartige Lesung nach der anderen.


Foto: Stefan Mesch

Jan Brandt, Jo Lendle und ich haben zusammen ein neues Lesungsformat ausprobiert: #brandtlendlereich Social Reading. Wir standen – im noch leicht ausbaufähigen Kraftwerkstyle – vor unseren Laptops und haben unveröffentlichte Texte gelesen, die die jeweils anderen vorher auf rapgenius kommentiert hatten. (Kommentare sind zu finden, wenn man Jan PN14 , Jo PN14 und Annika PN14 eingibt).

Die Texte erschienen hinter uns auf einer Leinwand. Die Kommentare wurden eingeblendet und vorgelesen. Ich würde damit sofort auf Tour gehen und mir dafür so einen Kraftwerkanzug machen lassen. Dann aber mit Schwarzlicht! (Ist mir auch noch nie aufgefallen, wie sehr Mr. Kraftwerk aussieht wie Bill Murray…)


Nachhören kann man es auf Litradio » Literatur zum Hören » #brandtlendlereich

Zwischendurch haben Jan Brandt, Antje Ravic Strubel, ich und andere noch Fragen für 114 beantwortet: Bist du sparsam? Macht dir Schreiben Spaß? Hast du wiederkehrende Träume?

Zu später Stunde sind Lina Muzur und ich dann noch in den Festival-Kiosk eingestiegen. War das alles schön!

Nachtrag: Victor Kümel hat das, was Jan, Jo und ich da auf der Bühne versucht haben, so viel besser beschrieben als ich es konnte:

http://openmikederblog.wordpress.com/2014/06/06/prosanova-14-nachbericht/

—06.06.2014

Wie man trotzdem lebt. Die rätselhafte Krankheit meiner Cousine und ihre Kunst der Hoffnung

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Heute habe ich im FAZ-Blog „Ich.Heute.10vor8.“ über meine schwerkranke Cousine Lilan geschrieben: „Wie man trotzdem lebt.“ Bevor ich diesen Text geschrieben habe, war mir nicht so klar, wie sehr ihr Leben ein Spiegel meines Lebens ist.

Es ist ein Text über die Kapitulation der Medizin, Ignoranz, Männer auf Balkonen, grüne Stiefel und über den wunderbar zarten Kater Leopold, aber vor allem ist ein Text über Lilan, die Virtuosin der Hoffnung.

—19.05.2014

Bettina Khano in voller Blüte

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Es hat mich vollkommen unvorbereitet getroffen.

Zur Eröffnung der Ausstellung von Bettina Khano im Kunstverein Oldenburg bin ich mit Freunden von Berlin nach Oldenburg gefahren, wir haben im Zugabteil gepicknickt, und alles war gut.

Doch kaum betrat ich die Räume, hat es mich erwischt. Ich war so überwältigt, dass ich weinen musste. Und es hörte nicht mehr auf. Mir war das total peinlich. Doch je mehr ich erkannte, wie Bettina Khano sich hier Raum genommen hatte, wie schlafwandlerisch präzise sie Räume bespielen kann, wenn sie ihr anvertraut werden, desto schlimmer wurde es. Am Schluß war es mir dann nicht mehr peinlich.

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Am Schluß dachte ich: so etwas passiert mir immer dann, wenn ich merke, dass etwas in voller Blüte steht.

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Die Ausstellung läuft noch bis zum 18.5.

—08.05.2014

Take these broken wings

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Meine amerikanische Cousine liegt seit vier Jahren im Bett und kann das Haus nicht mehr verlassen. Früher waren ihre Schuhe immer sofort abgelaufen, so rasant war ihr Gang. Ihr Bett steht nur ein paar Straßen von mir entfernt, aber oft ist sie zu schwach, um Besuch zu bekommen. Manchmal macht sie mir die Tür in einem flauschig-pinken Einhornkostüm auf, um uns beide zum Lachen zu bringen, manchmal hockt sie auf der Schwelle, weil selbst die Minute Stehen ihr zu viel Kraft raubt. Sie ist der tapferste Mensch, den ich kenne, und einer der witzigsten. Wie sie es schafft, in dieser Dunkelheit noch Sinn für Einhörner und all die skurrilen Kleinigkeiten des Lebens zu haben, weiß ich nicht.

Als es noch nicht so schlimm war, hatte sie einen Buchvertrag mit Fischer, einen von der glamourösen Sorte. Doch selbst das Schreiben ist inzwischen zu anstrengend. Dabei kann sie schreiben, sie kann schreiben und sie kann malen. Sie kann das. Sie hat diesen Blick aufs Leben, der so schräg wie präzise ist. Alles ist da, aber die Krankheit ist größer.

Doch seit letzter Woche hat sich ein Loch geöffnet. Größer ist die Krankheit immer noch, viel größer, aber sie hat jetzt doch etwas geschrieben und doch etwas gemalt, und dass sie das geschafft hat, ist so groß, dass ich es kaum fassen kann. Seit letzter Woche hat sie einen Blog. Wieviel das für jemanden bedeutet, dem ein offenes Fenster zu viel Wirbel ist, wissen wir alle nicht. Aber hier ist er: Take these broken wings.

Bei jedem neuen Text und jedem neuen Bild muss ich mich eine Weile ans offene Fenster stellen, damit diese Mischung aus Freude und Trauer, die ihre Worte auslösen, genug Raum bekommen. Bravo, Lilan!

—04.05.2014

Mein Schreibtisch ist eine Mimose

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In der Literarischen Welt habe ich mich gerade über meinen Schreibtisch beschwert, der nicht nur ein ziemlich ausgewachsenes Archivproblem hat, sondern sich auch am liebsten in Sicherheit bringen würde – vor mir und meinem Leben. Ich finde: er ist eine Mimose.

—29.04.2014